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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 15.10.2003
Aktenzeichen: OVG 2 B 304/03
Rechtsgebiete: SGB IX
Vorschriften:
SGB IX § 102 Abs. 4 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen
OVG 2 B 304/03
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Dreger, Richter Göbel und Richter Dr. Grundmann am 15.10.2003 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 7. Kammer - vom 29.07.2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.400,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die 1959 geborene Antragstellerin ist an progressiver Muskeldystrophie erkrankt und deshalb schwerbehindert (GdB 100 %, Pflegestufe III). Sie ist seit 1987 als Personalsachbearbeiterin bei der... tätig. Ihre Arbeitszeit beträgt 25 Stunden wöchentlich, verteilt auf vier Tage.
Im Dezember 2002 beantragte die Antragstellerin beim Integrationsamt die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz im Umfang von 20 Stunden wöchentlich.
Mit Bescheid vom 28.02.2003 bewilligte das Integrationsamt die Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz in Höhe von monatlich 664,25 Euro.
Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Sie führte zur Begründung u. a. aus, sie beziehe ihre Pflege- und Eingliederungshilfeleistungen seit über 10 Jahren von der Assistenzgenossenschaft Bremen. Der Stundensatz der Assistenzgenossenschaft für die Arbeitsassistenz betrage 19,50 Euro. Mit den bewilligten Leistungen in Höhe von 664,25 Euro könnten ca. 8 Stunden Arbeitsassistenz pro Arbeitswoche (ca. 2 Stunden pro Arbeitstag) abgedeckt werden. Benötigt würden aber mindestens 20 Stunden wöchentlich.
Den Antrag, der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig Sachleistungen der Arbeitsassistenz im Umfang von 20 Stunden wöchentlich zu gewähren, lehnte das Verwaltungsgericht ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Aus den im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO) ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag zu Unrecht abgelehnt hat. Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs (§ 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
1.
Die Antragstellerin kann ihr Begehren nach summarischer Prüfung nicht auf § 102 Abs. 4 SGB IX stützen. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben "aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln" Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.
Die Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz steht hiernach nicht (mehr) gänzlich im Ermessen des Integrationsamtes. Vielmehr gewährt der Gesetzgeber den Schwerbehinderten grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf eine solche Kostenübernahme. Dieser Anspruch steht allerdings unter dem Vorbehalt der dem jeweiligen Integrationsamt zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe (vgl. Seidel in Hauck/Noftz, SGB IX, Kommentar, K § 108 Rdnr. 1). Damit hat der Gesetzgeber selbst auch eine Anspruchsbegrenzung vorgenommen.
Weitere Rechtsnormen - insbesondere über die Verteilung der Mittel - gibt es nicht. Zwar hat der Gesetzgeber die Bundesregierung in § 108 SGB IX ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 102 Abs. 4 SGB IX sowie über die Höhe, Dauer und Ausführung der Leistungen zu regeln. Von dieser Verordnungsermächtigung hat die Bundesregierung jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Demgemäß ist über die Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel von der Verwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Zur gleichmäßigen Ausübung dieses Ermessens sind vorläufige Richtlinien erlassen worden (vgl. "Vorläufige Richtlinien für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz ..." zum inhaltsgleichen §31 a Abs. 3 a SchwbG vom 15.12.2000, BremABl. 2001, S. 4 ff.).
Dass die Antragsgegnerin diese Richtlinien zum Nachteil der Antragstellerin nicht eingehalten hat, ist bei Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen. Nach den Richtlinien werden den Schwerbehinderten für die notwendige Arbeitsassistenz - abhängig von ihrem individuellen Unterstützungsbedarf - monatliche Budgets zur Verfügung gestellt (vgl. Ziff. 4.1 der Vorläufigen Richtlinien). Im Falle der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin das höchste Budget von 1.023,00 Euro zugrundegelegt. Da dieses Budget für eine Vollzeitbeschäftigung gilt, ist es auf die Teilzeit der Antragstellerin umgerechnet worden, wobei die Antragsgegnerin von 25 Wochenstunden ausgegangen ist, insoweit also - zugunsten der Antragstellerin - unberücksichtigt gelassen hat, dass eine Arbeitsassistenz nur für 20 Stunden beantragt worden war (vgl. Bescheid vom 28.02.2003). Das hat zu dem bewilligten Budget von 664,25 Euro geführt.
2.
Bei Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kann im vorliegenden Eilverfahren nicht festgestellt werden, dass der Antragstellerin ein Rechtsanspruch auf die begehrte weitere Förderung zusteht und das Ermessen der Antragsgegnerin insoweit auf Null geschrumpft ist.
Wie erwähnt steht der Rechtsanspruch nach § 102 Abs. 4 SGB IX unter dem Vorbehalt der dem jeweiligen Integrationsamt zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe. In den vorläufigen Richtlinien werden zur Beachtung dessen Höchstgrenzen für die Budgets der einzelnen Schwerbehinderten festgesetzt. Zwar ist es nach den Richtlinien nicht gänzlich ausgeschlossen, die Budgetbeträge im Einzelfall angemessen zu erhöhen (Ziff. 4.1 Satz 4 der Richtlinien). Doch ist nach Aktenlage nicht festzustellen, dass hier ein Ausnahmefall vorliegt, der das Ermessen der Antragsgegnerin im Fall der Antragstellerin zwingend auf Null zurückführt.
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang ausführt, die bewilligten Mittel reichten zur Deckung des als notwendig anerkannten Bedarfs an Arbeitsassistenz nicht aus, ergibt sich daraus noch nicht, dass das vorgesehen Budget deshalb für die Antragstellerin zwingend zu erhöhen ist. Mit der Festlegung von Höchstgrenzen wird zum Ausdruck gebracht, dass für die Arbeitsassistenz des einzelnen Schwerbehinderten - im Interesse einer gleichmäßigen Verteilung der nur beschränkt zur Verfügung stehenden Mittel - grundsätzlich nicht mehr als dieser Betrag zur Verfügung gestellt werden soll. Es wird dem Schwerbehinderten überlassen, sich entsprechend einzurichten. Der Stundensatz der von der Antragstellerin gewählten Arbeitsassistenz der Assistenzgenossenschaft Bremen beträgt 19,50 Euro, wobei in diesem Betrag auch die Kosten für die gesamte Organisation der Hilfe enthalten sind. Das führt nach den (unbestrittenen) Berechnungen der Antragsgegnerin (vgl. Blatt 72 BA) bei 20 Wochenstunden zu einem monatlichen Betrag von 1.462,00 Euro. Dieser Betrag liegt deutlich über dem zweifachen Betrag der von der Antragsgegnerin nach den vorläufigen Richtlinien ermittelten Summe.
Dass die Antragsgegnerin einer Arbeitsassistenz zu diesen Kosten bedarf, ist nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nicht substantiiert vorgetragen, dass es keine kostengünstigere Alternative für die Antragstellerin gibt. Angesichts dessen kann der Antragstellerin im Eilverfahren nicht schon eine monatliche Förderung zugesprochen werden, die dem in den vorläufigen Richtlinien vorgesehenen, für alle Schwerbehinderten maßgeblichen Höchstbetrag weit überschreitet.
Demgegenüber kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf ihr Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB IX verweisen. Denn auch dieses Recht gilt nicht uneingeschränkt. Wünschen des Berechtigten soll nur entsprochen werden, "soweit sie angemessen sind" (vgl. § 9 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 33 SGB I), was wiederum u. a. davon abhängt, ob es eine kostengünstigere Alternative gibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
Ende der Entscheidung
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